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Михаил Лермонтов «Пророк» на немецком языке

Перо и рукопись

Стихотворение Михаила Юрьевича Лермонтова (1814-1841) «Пророк» на русском языке и в трех переводах на немецкий язык.

Пророк

С тех пор как вечный судия
Мне дал всеведенье пророка,
В очах людей читаю я
Страницы злобы и порока.

Провозглашать я стал любви
И правды чистые ученья —
В меня все ближние мои
Бросали бешено каменья.

Посыпал пеплом я главу,
Из городов бежал я нищий,
И вот в пустыне я живу,
Как птицы, даром божьей пищи.

Завет предвечного храня,
Мне тварь покорна там земная.
И звезды слушают меня,
Лучами радостно играя.

Когда же через шумный град
Я пробираюсь торопливо,
То старцы детям говорят
С улыбкою самолюбивой:

«Смотрите: вот пример для вас!
Он горд был, не ужился с нами:
Глупец, хотел уверить нас,
Что бог гласит его устами!

Смотрите ж, дети, на него:
Как он угрюм, и худ, и бледен!
Смотрите, как он наг и беден,
Как презирают все его!»
1841

Михаил Юрьевич Лермонтов (1814-1841)

Der Prophet

Seit mir vom ewigen Geschick
Gegeben ward prophetisch Wesen,
Konnt’ ich in jedem Menschenblick
Das Laster und die Bosheit lesen.

Durch That und Wort der Tugend dann
Wollt’ ich die Welt vom Bösen reinigen,
Doch meine Nächsten huben an
Zu zürnen mir und mich zu steinigen.

Ich streute Asche auf mein Haupt,
Entfloh den Städten weit, und büßte, —
Jetzt leb’ ich, alles Guts beraubt,
Gleichwie ein Vogel in der Wüste.

Mir, nach des Ew’gen Rathschluß, dort
Beugt sich die Kreatur der Erde —
Die Sterne horchen meinem Wort
Mit freudestrahlender Geberde.

Doch wenn ich jetzt noch dann und wann
Zur Vaterstadt die Schritte richte,
So hebt der Greis zum Kinde an,
Mit selbstzufriedenem Gesichte:

»Seht: Euch ein Beispiel sei der Thor!
Wie stolz er that mit seiner Kunde,
Und thöricht spiegelt’ er uns vor,
Es rede Gott aus seinem Munde!

Seht seine hagere Gestalt,
Sein Antlitz, ganz entstellt von Leiden,
Seht Kinder, wie jetzt Jung und Alt
Ihn voll Verachtung scheun und meiden!«

Michail Jurjewitsch Lermontow
Übersetzung von Friedrich Bodenstedt

Der Prophet

Seit der ewige Richter
mir die Allwissenheit des Propheten verlieh,
lese ich in den Augen der Menschen
ganze Seiten von Bosheit und Laster.

Zu verkünden begann ich der Liebe
und der Wahrheit reine Lehren:
Da warfen alle meine Nächsten
wie rasend Steine auf mich.

Ich streute mir Asche aufs Haupt,
arm und bloß lief ich fort von den Städten
und lebe jetzt in der Wüste,
wie die Vögel, von der Gabe göttlicher Speise;

ich bewahre das ewige Vermächtnis,
gehorsam ist mir dort die irdische Kreatur,
und die Sterne hören auf mich
und spielen freudig mit ihren Strahlen.

Bahne ich mir aber rasch
meinen Weg durch die laute Stadt,
dann sagen die Alten zu den Kindern
mit selbstgefälligem Lächeln:

»Seht mal: Das diene euch als Beispiel!
Er war stolz, vertrug sich nicht mit uns.
Dieser Dummkopf wollte uns weismachen,
daß durch seinen Mund Gott spreche!

Schaut ihn nur an, Kinder:
Wie unwirsch er ist, wie dürr und bleich!
Seht nur, wie nackt und arm er ist,
und wie alle ihn verachten!«

Michael Lermontow
Übersetzt von Kay Borowsky und Rudolf Pollach

Der Prophet

Seit jener Zeit, als mir der Herr
Prophetische Erkenntnis schenkte,
Les ich nur Laster, Hass und Schmerz
In den Augen aller Menschen.

Die reine Lehre tat ich kund,
Durch Liebe wollte ich vereinen:
Die Nächsten aber lachten und
Bewarfen mich mit Steinen.

Asche streute ich aufs Haupt,
Die Städte floh ich ohne Habe
Und teilte, durch die Wüste laufend,
Mit den Vögeln Gottesgaben.

Die Schöpfung ist mein treuer Hort,
Weil ich Sein Testament bewahre;
Die Sterne lauschen meinem Wort,
Wie freudig spielen ihre Strahlen!

Doch wenn ich in die laute Stadt
Mich vorübergehend wage,
Die selbstgerechten Alten da
Lächelnd ihren Kindern sagen:

»Nehmt euch seines Beispiels an,
Er war zu stolz, mit uns zu leben:
Der Dummkopf glaubt in seinem Wahn,
Dass Gott mit seiner Zunge redet!

Betrachtet, Kinder, wie er schleicht
Ganz nackt und arm durch unsre Gassen!
Wie dürr er ist, wie finster, bleich, –
Und wie ihn alle Menschen hassen!«

Michael Lermontow
Übersetzt von Eric Boerner

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